Wie ich darauf kam, dass ich ADHS haben könnte

Es fing ganz harmlos an. Ende letzten Jahres habe ich mit meinem Partner über Ohrwürmer gesprochen – und darüber, dass ich eigentlich immer in meinem Kopf singe. Und er meinte: „Ich nicht.“ Ich so: „Wie, du nicht? Worüber denkst du denn dann die ganze Zeit nach?“ Er: „Über gar nichts.“ Ich: „Hä? Kann doch nicht sein. Man denkt doch immer irgendwas.“

Ich hab das einfach nicht verstanden. In meinem Kopf ist ständig was los. Gedanken, Erinnerungen, Pläne – und irgendwiw singt immer einer. Ich dachte, das wäre normal.

Aber dann hab ich andere gefragt. Und auch die meinten: „Nee, das hab ich nicht.“ Ich hab’s hingenommen. Bin halt ein bisschen wirr. Ist okay. Dachte ich.

Und dann kam TikTok. Ein Video von jemandem, der ADHS hat und nur Brot kaufen wollte. Aber in seinem Kopf liefen alle Gedankengänge gleichzeitig. Und – natürlich – hat auch da einer gesungen. Ich hab das gesehen, bin zu meinem Partner gegangen und gesagt: „Guck. So ist das in meinem Kopf. Immer. 24/7. 365 Tage im Jahr.“ Er war richtig entsetzt. Und da der Typ im Video ADHS hatte, dachte ich: Hm. Vielleicht…?

Ich hab angefangen zu lesen, zu vergleichen, zu testen. Und plötzlich ergab so vieles Sinn. Dieser sogenannte Hyperfokus, den ich früher immer „meine Projekte“ genannt habe – war wohl kein Charakterzug, sondern ein Symptom. Das Überpacken für Wochenendtrips, der Koffer statt Tasche, der zusätzliche Rucksack „für alle Fälle“ – klarer Fall von Reizüberflutung plus Vorbereitungspanik. Und irgendwann dachte ich: „Okay. Ich hab’s wahrscheinlich. Aber brauch ich wirklich eine Diagnose?“ Ich bin 48. Ich komm ja klar. Also meistens. Was soll's?

Aber dann kam der Gedanke, der mich nicht mehr losgelassen hat: Wie gut könnte ich eigentlich sein, wenn ich mal die richtigen Werkzeuge hätte? Wie gut könnte ich zeichnen, wenn ich dranbleiben würde? Wie fit wäre ich, wenn ich nicht ständig den Faden verlieren würde? Wie ruhig wäre mein Hund, wenn ich ihn konsequent erziehen könnte? Wie gut könnte ich mich fühlen, wenn mein Gehirn mich nicht dauernd austricksen würde?

Das Problem war nur: Ich müsste irgendwo anrufen. Und wenn du ADHS hast, weißt du, dass anrufen ungefähr so ist, als würde man dir vorschlagen, spontan einen Marathon zu laufen. Ich wollte es, aber ich tat’s nicht.

Also hab ich einfach mal ChatGPT gefragt. Und ChatGPT schlug vor, dass ich es auch online machen kann: privat, selbst bezahlen, dafür ohne ewige Warteliste. Ich hab’s getan. Eine Mail geschrieben, ein paar Fragen gestellt – und sie waren super nett. Dann kam der Termin, dann die Fragebögen. Und eine Woche später der Befund.

Und plötzlich hatte mein Chaos einen Namen. Keinen neuen, aber einen richtigen.

Hinweis: Das ist ein persönlicher Erfahrungsbericht, kein medizinischer Rat.

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